Carrera Servo 140 - Die Geschichte

zusammengetragen von Christian Andersch (alias Crazy-Chris)




Mitte der 70er Jahre:
Der Markt der Autorennbahnen stagniert. Die Firma Carrera ist mit ihren Produktlinien "Carrera 124" und "Carrera 132 Universal" zwar Marktführer, aber Innovationen sind Mangelware. Der Firmeninhaber Neuhierl plant eine regelrechte Revolution und investiert daher in erweiterte Produktionskapazitäten.

1978:
Das System "Carrera Servo" wird präsentiert, zunächst in den beiden Maßstäben "Carrera Servo 132" und "Carrera Servo 160".
Die Fahrzeuge sind nicht mehr an eine Führungsrille gebunden, sondern können auf geraden Streckenabschnitten die Spur wechseln.
Vom technischen Prinzip her sind beide Systeme identisch, die Karossen wurden mit leichten Modifikationen von den spurgebundenen Systemen "Carrera 132 Universal" und "Carrera 160" übernommen.
Chassis, Streckensysteme sowie Trafos und Drücker wurden komplett neu entwickelt, zeigen aber die Carrera-typische Machart.
Die Spielwarenbranche nimmt die neuen Systeme mit Begeisterung auf.
Für "Carrera 132 Universal" wird sogar ein Erweiterungssystem namens "Carrera Pilot" entwickelt. Technisch handelt es sich um eine Kreuzung zwischen Servo 132 und Uni. Die Fahrzeuge sind immer noch spurgeführt, können aber nach links und rechts ausscheren. In den Handel gelangt "Carrera Pilot" jedoch nicht, heute sind nur wenige Prototypen bekannt.

1979:
Das System "Carrera Servo 140" wird eingeführt. Es wurde völlig neu entwickelt, da Carrera bislang kein Rennbahnsystem im Maßstab 1:40 im Sortiment hatte.
Technisch entspricht es den beiden anderen Servo-Systemen.
Dieses Jahr wird als Rekordjahr in die Carrera-Geschichte eingehen:

  • 6 verschiedene Rennbahnsysteme sind im Sortiment,
  • der Kundenkatalog ist mit 208 Seiten so dick wie nie zuvor (und auch danach sollte diese Zahl nur noch einmal erreicht werden),
  • im Weihnachtsgeschäft 1979/80 erwirtschaftet Carrera den Rekordumsatz von 75 Mio. DM, der bis heute nicht wieder erreicht wurde.

1980:
Das Servo140-Sortiment wird erweitert, ansonsten gibt es nicht viel zu berichten.
Auffällig ist allenfalls, daß auch aus diesem frühen Stadium schon sehr viele technische Detailvarianten der Servo-Fahrzeuge zu beobachten sind, obwohl bei den Servo-Systemen eigentlich Einheitschassis zum Einsatz kommen.
Carrera hat offenbar permanent Verbesserungen in die laufende Produktion einfließen lassen.

1981:
Erste dunkle Wolken ziehen auf. Die Nachkäufe bleiben bei den Servo-Systemen aus, die filigrane und wartungsintensive Servo-Technik ist für Kinderzimmer wohl doch nicht so gut geeignet. Carrera reagiert und verbessert:

  • bei Servo 140 und Servo 160 ist jetzt auch Spurfahren möglich. Dazu waren sowohl Modifikationen an den Fahrzeugen, als auch an den Bahnteilen nötig. Mit dem Fahrgefühl einer echten spurgebundenen Bahn ist diese Servo-Betriebsart aber nicht vergleichbar, und deshalb wird das Spurfahren auf Servo bis heute wohl auch eher stiefmütterlich behandelt.
  • bei Servo 140 wurden breite Stromleiter in den Bahnstücken eingeführt. Die Kompatibilität zu den alten Bahnstücken ist mittels einer Adapterfahrbahn sichergestellt.
  • bei den Servo-Grundpackungen gibt es eine Fülle von Verbesserungen, zumindest für Servo 140 und Servo 160. Das vormals optisch langweilige Einheitsdesign der Deckel wurde durch peppige Illustrationen ersetzt. Nahezu jedes Set erhielt Sonderfahrbahnteile und einen aussagekräftigen Namen.
  • Servo 132 bleibt interessanterweise von jeglichen Verbesserungen verschont, hier ist nach wie vor kein Spurfahren möglich und die Grundpackungen sehen aus wie eh und je. Ein erster Hinweis darauf, daß dieses System bald vom Markt genommen werden sollte?

1982:
Das System "Carrera 160" wird vom Markt genommen - es hatte wohl keine Chance gegen Servo 160.
Die Anzahl der Neuheiten ist sehr gering - es geht abwärts mit Carrera.

1983:
In diesem Jahr wird "Carrera Servo 132" vom Markt genommen - vermutlich hat sich Servo 140 einfach besser verkauft.
Außerdem erscheinen kein Katalog und wohl auch keine Fahrzeugneuheiten - die finanzielle Misere von Carrera scheint immer größer zu werden.

1984:
Der Manager John de Ruig wechselt von Mattel zu Carrera, und er erreicht in kurzer Zeit tatsächlich Einiges:

  • die produktionsintensiven Systeme "Carrera 132 Universal" und "Carrera 124" werden vom Markt genommen
  • die technisch sehr einfach gehaltene "Carrera Profi", auch im Maßstab 1:40, wird eingeführt. Es ist das erste System jenseits von H0, in dem spezielle Haftmagnete für die Fahrzeuge zum Einsatz kommen.
  • Carrera Servo 140 bleibt unverändert im Programm, ebenso Servo 160. Vermutlich werden aber schon die Weichen für die stark vereinfachte V2-Generation gestellt.

1985:
Weltmarktführer Carrera beantragt Konkurs, als Folge davon nimmt sich Firmeninhaber Hermann Neuhierl im Februar 1985 das Leben. Sein Nachfolger wird der bislang branchenfremde Kurt Hesse.
In diesem Jahr erscheinen die heute äußerst seltenen Lexan-Fahrzeuge für Servo 140. Es ist bis heute nicht geklärt, ob diese Fahrzeuge noch zur Neuhierl-Ära gehören oder nicht.
Bei Servo 140 erscheint die V2 (Generationen G 14/15) genannte Fahrzeuggeneration mit Pendelachse, Zahnradlenkung und Rauchglas-Karossen. Die Bahnteile bleiben unverändert.
Das Servo 160 Sortiment wird rigoros zusammengestrichen, es gibt nur noch 4 Fahrzeugtypen (von ehemals mehr als 20).

1988:
Die V3-Generation der Servo 140 Fahrzeuge wird eingeführt. Sie unterscheiden sich von den V2-Fahrzeugen durch eine Reibradlenkung.Später kamen Klarglasfenster und Fahrereinsätze, Radkappen und bedruckte Karosserien (vormals Aufkleber/Wasserschieberdecals).

1989:
Aus Servo-Sicht ist dieses Jahr nicht besonders bemerkenswert - allerdings wird die alte Carrera 124 unter dem Label "Carrera Exclusiv" wieder neu aufgelegt.

1990 bis 1995:
In diesem Zeitraum werden für Servo 140 und Profi pro Jahr 1-2 Fahrzeugneuheiten präsentiert. Technische Veränderungen gibt es keine.
Für Servo 160 wird Mitte der 90er das Indycar als Fahrzeugneuheit präsentiert - es entstand wohl aus einer umgearbeiteten Form des Renault F1.
Irgendwann in diesem Zeitraum wird die Produktion zunächst in die Tscheshoslowakei verlegt, danach nach Fernost. Der Qualität ist diese Maßnahme nicht förderlich.

1996:
Carrera Servo 160 ist letztmalig im Händlerkatalog des Jahres 1996 aufgeführt, im Folgejahr wird das System vom Markt genommen.

1997:
Kurt Hesse nimmt seinen Hut bei Carrera - Nachfolger wird Hubertus Maleika. Zusammen mit Produktmanager Jochen Schäfer und Designer Günther Leifer bringt dieser Carrera ein deutliches Stück nach vorne.

1998:
Carrera Servo Plus wird eingeführt, als Nachfolger der Servo 140. Die Fahrzeuge besitzen jetzt keine seitlichen Führungshaken mehr, sondern nur noch vorne Abstandhalter. Die Kurven erhalten Mittelleitplanken.

1999:
Die Stadlbauer-Gruppe übernimmt Carrera. Hubertus Maleika bleibt aber weiterhin im Amt (bis heute).

2000:
Carrera Servo Plus erscheint zum letzten Mal im Katalog.

Quellen:
"Carrera 160 - 132 Universal - 124 - Jet" v. Henry Smits-Bode, mekcar-Verlag
"Modell-Fahrzeug" Ausgabe 06/97, Verlag Motorpresse Stuttgart
diverse Carrera-Prospekte und Kataloge aus den Jahren 1978 bis 2000